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The circlefly Newsletter Nr. 1
Newsletter Number Eins., 1. Juni 2009
Kurzer Text über die beiden Einzelausstellungen im Herbst 2008.1. Peng! – Peng!
26.9. – 26.10.2008, Galerie im Oberen Tor in Karlstatdt
ein paar eigene Worte.
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Hier ist die Einführungsrede:
Kathrin Feser, Ausstellungseröffnung in Karlstadt am 26.9.2008
Peng! – Peng!
Von Thomas Friedrich
Vielen Dank für die Einladung. Kurz zu meiner Person: Mein Name ist Thomas Friedrich. Ich habe vierzig Semester die Fächer Philosophie, Politische
Wissenschaft, Volkskunde und Graphik-Design studiert, drei Studienabschlüsse gemacht (Diplom, Magister Artium, Promotion), anders gesagt, ich habe die unglaublichen Mühen auf mich genommen, mich zu bilden, und mache das nach wie vor. Eine Ausbildung habe ich nie genossen und vermisse sie auch nicht.
Anders gesagt, ich bin restlos unzeitgemäß. Ganz anders verhält es sich mit Kathrin Feser und ihren hier gezeigten Arbeiten – sie sind lobenswert zeitgemäß. Sie behandelt nämlich das Thema Mafia, Korruption und die damit verbundenen Regeln, bei deren Nichtbeachtung dann eben auch mal Peng Peng passiert, und ein ignoranter Gegner einfach erschossen wird. Das Wunderbare an Fesers Arbeiten ist, daß sie dieses Thema nicht
moralisch, also mit erhobenem Lehrer- und damit Besserwisserzeigefinger behandelt, sondern einfach affirmativ zeigt, wie es eben heute ist.
Und man muß ja wirklich kein großer Philosoph oder Politikwissenschaftler sein, um sich klar zu machen, daß mafiöse Strukturen, Korruption und ähnliches mit eiserner Notwendigkeit sich dann einstellen, wenn die sogenante erste Wirtschaft, die legale, nicht mehr zur Existenzenzsicherung der Menschen taugt. Und genau das ist weltweit längst der Fall. Die aktuelle Finanzkrise wird diese Tendenz noch erheblich verschärfen. Niedriglöhne, Zeitarbeit, die dadurch stetig wachsende Klasse der working poor, das Prinzip, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren, all dies ist mittlerweile auch in Deutschland Realität und schafft eine wunderbare Basis für Korruption aller Art.
Anders formuliert, mafiöse Verhältnisse sind längst keine Einzelfälle mehr, sondern die existenznotwendige Regel. Die deutschen Moralisten haben das
vielleicht noch nicht ganz begriffen, aber im Gegenzug haben wir ja jetzt die Arbeiten Fesers.
Übrigens stehe auch ich jedem Zusatzeinkommen sehr offen gegenüber, nachdem die Professorengehälter seit der Dienstrechtsreform vor drei Jahren auf eine Höhe gefahren wurden, die dies nötig macht und zusätzlich die Höhe der Pensionskürzungen in den nächsten Jahren völlig offen ist. Also, wenn Sie Gutachten brauchen, egal für welchen Zweck, egal mit welchem Inhalt, melden Sie sich nach der Ausstellung bei mir.
Wieviel Geld ich von Kathrin Feser erhalten habe, um hier heute abend einen wohlwollenden Vortrag zu halten, darüber schweige ich. Nicht, um eine bürgerliche Form von Resthöflichkeit zu wahren, sondern um dem mafiosen Grundsatz Folge zu leisten: Über Geld spricht man nicht – man nimmt es.
Al Ping Pong
Was sehen bzw. assoziieren wir hier wir hier: einen Empfang, einen Salon, Frauenbeine, und dazwischen ein Ping-Pong-Ball. Er wirkt harmlos, die
Ikonografie ist klassisch. Wir sehen Damen, die scheinbar nichts zu sagen haben. Bloße Staffagefrauen von Mafiabossen, so scheint es. Wenn da nicht der Ball wäre. Er drückt stets eine Beziehung aus. Ping – Pong, ist nicht statisch, er bringt alles durcheinander – das ist schon abzusehen – der Titel mit „al“ sagt auch schon einiges, er klingt wie Al Capone, vielleicht auch schon wie Al Peng Peng. Die Mafia war lange Zeit ein reiner Männerbund. Die Zeiten sind vorbei, der Ball steht für bevorstehende radikale Umwälzungen. Die Frauenmafia wird die Zukunft fest in der Hand haben. Das zeigt das Bild ohne jeden Zweifel, stets nach dem Motto: Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht, die Mafiafrau hat immer recht.
Wachsbildserie
Die einzelnen Arbeiten dieser Serie präsentieren Zeichen, die abtauchen, trübe werden. Vertuschung, Vergessenmachen, Verschwinden, Verrücken, Vertiefen, aber auch Unklarmachen, Unsichtbarmachen, Unerkennbarmachen sind Handlungsweisen, die jeder Korruptionsgenötigte bestens beherrschen sollte. Das Gegenteil von Aufklärung ist unter heutigen mafiotischen Verhältnissen mehr als angesagt. Nicht clare et distincte, klar und deutlich für die Erkenntnis zu sein, ist das Wahrheitskriterium der Mafia, sondern, bezogen auf die eigenen Taten, gilt die Verschleierung als Überlebensmittel.
Drei Amerika Bilder
Dreimal Fleisch. Feser spielt hier mit der Ikonografie Amerikas der 40er und 50er Jahre. Man assoziiert sofort Marshall McLuhans 1951 in New York erschienenes Buch „Die mechanische Braut“, in dem der Autor die damalige Alltagskultur Amerikas analysierte.
Fleisch A, One Way: Hier morpht sich was zur Hyle hin. Für Nichtgriechen, Morphe heißt Form und Hyle ist die ungeformte Materie. Eine Form, hier ein Mensch im Staroutfit, wird erst zum amorphen Schweinchen, um dann bei der bloßen Hyle, beim Ungeformten des Fleisches zu enden. Wenns Peng Peng macht, wird der geformte Menschenleib schnell zur Hyle, zum Fleich, zum chair, eben unansehnlich. Und das alles als Einbahnstraße, ohne Weg zurück.
Fleisch B, Matchmaking: Das Thema hier ist, wie der Hans zu seiner Gretel bzw. umgekehrt, kommt. Heute ist Heiratspolitik eine echte quasimafiotische Alternative zum Aufstieg durch Arbeitsleistung, weil man durch letztere eben nicht mehr wirklich reich werden kann. Und Liebe geht bekanntlich durch den Magen, also hängt der Erfolg geplanter Existenzsicherung durch einen Heiratsvertrag nicht zuletzt davon ab, in welcher Form Tierfleisch zubereitet
wurde, das anschließend vom Menschenfleisch des potentiellen Unterschreibers des Heiratsvertrags einverleibt wird. Wird die Fleisch-Fleisch-Einverleibung positiv bewertet, steigt die Chance zum Vertragsabschluß erheblich.
Fleisch C, Buy 4 get 2 free: Bei diesem amorphen Fleischbatzen sind Körperbild und Körperschema durcheinandergeraten – es ist offensichtlich ein Tranvestit. Vielleicht versuchen sich gerade Körperbild und Körperschema über die vielen Telefone wieder zu verständigen. Ein Glück, daß der Protagonist zwei Telefone beim Kauf von vieren umsonst bekommt.
Nailpolishladies
Aus Pappmache, sicher gewonnen aus Seiten der Yellow-Press, sind die knalligen Nagellackfrauenwesen geformt. Kleine skurile zickige Frauenseelchen „bastelte“ hier der weibliche Prometheus Kathrin Feser, und visulisiert jeweils ihre verschnörkelten Denkbewegungen, die sich alle um die Fragen drehen: Was ziehe ich nur an? Wer mit wem? Wo gibt’s das beste Schnäppchenshopping? Wo ist der nächste Rüber-mit-der-Kohle-Mann? Im Gegensatz zu den häufig von protestantischer Arbeitsmoral versauten legal arbeitenden Männern, verstehen die Nailpolishladies wenigsten noch etwas vom „guten Leben“ und sind damit vorbildhaft für unsere mafiotische Zukunft.
Objekt mit Paketband „Hürdenschwimmer“
Der seltsame Gegenstand ist, wie schon die Nailpolishladies, eindeutig belebt, er ist ein Wesen. Kathrin Feser ahnt auch, was das von ihr hergestellte golemartige Seelending nachts so macht. Auch sein Name, Hürdenschwimmer, ist eindeutig und völlig plausibel. Allerdings ist weder klar, ob er Hürden überschwimmt, umschwimmt, unterschwimmt oder ein paar Hu?rden packt und mit ihnen schwimmt. Sicher ist, er gibt sich Mühe, dies alles elegant zu tun. Und offensichtlich gelingt ihm dies ganz gut.
Kugelkopf oder die Köpfekugel
Kathrin Feser outet sich hier eindeutig als Kopfjägerin. Alle möglichen Arten von Flaschen, Fläschchen oder Bürsten wurden oben, also an heikler Stelle, gekappt. Erst leergemacht, dann ausgesaugt und ausgelaugt und schließlich geköpft. Feser sammelt hier, wie bei alten lateinamerikanischen Stämmen, Köpfe, um ihre Macht zu steigern. Während es bei den alten Stämmen allerdings die Köpfe der Feinde sind, die man sammelt, sind es bei Kathrin Feser dagegen die Köpfe der Freunde, denn sie stammen vor allem von Pflegemittelchen, die der eigenen Schönheit dienten. Freunde zu töten, das ist wahre Souveränität, und ihre Köpfe dann noch so schön bunt und attraktiv zu präsentieren, ist souveräne zeitgenössische Mafiakunst. Kathrin Feser heißt deswegen ab jetzt und völlig zurecht,
DIE PATIN
(Vielen Dank)Prof. Dr. Thomas Friedrich:
1959 geboren. Studium Graphik-Design und anschließend Philosophie, Politische Wissenschaft und Volkskunde in Würzburg. Lehrtätigkeit als Hochschuldozent für Geschichte und Theorie der Visuellen Kommunikation an der Fakultät für
Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar. Seit März 2000 Professor für
Philosophie und Designtheorie an der Fakultät für Gestaltung der Hochschule
Mannheim. Dort leitet er das Institut für Designwissenschaft. Zusammen mit
Gerhard Schweppenhäuser gibt Thomas Friedrich die Buchreihe „Ästhetik und
Kulturphilosophie“ im LIT Verlag (Münster, London) heraus. Seit 2002 ist er
Redakteur der „Zeitschrift für kritische Theorie“ (zu Klampen, Springe). Er ist
Gründungsmitglied der „Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und –
forschung“ und der „Gesellschaft für Designgeschichte“, berufenes Mitglied der
„Freien Akademie der Künste Rhein-Neckar“ und Leiter der Sektion Design der
„Deutschen Gesellschaft für Semiotik e. V.“
Publikationen
Zusammen mit Klaus Schwarzfischer (Hg.), Wirklichkeit als Design-Problem.
Zum Verhältnis von Ästhetik, Ökonomik und Ethik (Würzburg 2008).
Zusammen mit Jörg H. Gleiter (Hg.), Einfühlung und phänomenologische
Reduktion. Grundlagentexte zu Architektur, Design und Kunst, Reihe Ästhetik
und Kulturphilosophie, Band V (Münster 2007).
Zusammen mit Ruth Dommaschk (Hg.), bildklangwort. Grundlagenwissen
Gestaltung Band 1, Reihe Ästhetik und Kulturphilosophie, Band IV (Münster
2005).
Bewußtseinsleistung und Struktur. Aspekte einer phänomenologischstrukturalistischen
Theorie des Erlebens (Würzburg 1999).Sehr zu empfehlen ist sein Ende 2008 erschienenes Buch:
Wirklichkeit als Design-Problem, zum Verhältnis von Ästhetik, Ökonomie und Ethik. 240 Seiten, ISBN 978-3-89913-669-22. Wahre Geschichten
1.10.- 26.10.2008, Galerie im Königspavillon in Veitshöchheim
ein paar eigene Worte.
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Abschluß irgendwas. kurz.